Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
12 Aus Schlesiens Vergangenheit.
jener Belagerung und Übergabe zugegen." Die Konsuln entschuldigten sich:
„Wir haben nicht Macht genug, dies zu bewirken." Da erwiderte der Bischof:
„Auch euch exkommuniziere ich hiermit, wie euren König, im Namen des Vaters
und des Sohnes und des heiligen Geistes; und wisset, daß euer Herr kein
König, sondern nur ein Königlein ist." Diese letzte Bemerkung, deren Be-
deutung man damals nicht verstand, sollte offenbar eine Beleidigung sein und
wurde mit Entrüstung vernommen. Als später Nanker nach dem Sinne seiner
Worte (st sciatis enm 11011 esse regem, sed regulum) gefragt wurde, sagte
er, daß er deshalb den König Johann ein Königlein genannt habe, weil er in
seinem ganzen Königreiche keinen Erzbischos habe und deshalb erst einen fremden
Erzbischos durch Bitten und Geschenke, ihn zu krönen, bewegen müsse. Dieses
Spottes wegen soll später Karl Iv. die Erhebung des Prager Bischofs zum
Erzbischos sehr angelegentlich betrieben haben.
Schwarze Gewitterwolken zogen nun über die schlesische Kirche hin. Die
Spannung zwischen dem Könige und Bischof war so groß, daß an eine Ver-
söhnung nicht leicht zu denken war. Nanker begab sich drei Tage später, nach-
dem er den Bann ausgesprochen hatte, nach Neiße; die Kirchen auf dem Dome
und in der Stadt wurden geschlossen und der öffentliche Gottesdienst eingestellt.
Die Breslauer waren aber mit dieser That des Bischofs nicht zufrieden; der
Rat der Stadt hielt zum Könige und hinderte es nicht, wenn die Geistlichen
geschmäht und kirchenfeindliche Grundsätze gepredigt wurden. Die dem Bischof
treuen Geistlichen wurden vertrieben und solche an ihre Stelle gesetzt, die mit
dem Bischof gebrochen hatten. Der König zog im Breslauer Gebiete alle
Güter und Einkünfte der Kirche ein, weil man ohne Gottesdienst auch keiner
Geistlichen bedürfe, und riet den schleichen Fürsten, dasselbe zu thuu: ein Rat,
dem der verschwenderische Herzog Boleslans von Liegnitz gern folgte.
Zwei Jahre schon hatte der unselige Streit gedauert, und noch immer
öffnete sich keine Aussicht auf Versöhnung; da starb Nanker im Jahre 1341
zu Neiße. Der König Johann wußte es durchzusetzen, daß Przezislaus von
Pogarell, ein ihm ergebener Edelmann, zum Bischof gewählt wurde, der die
Wahl annahm und, weil der Erzbischof von Gnesen aus Zorn darüber, daß
sein Kandidat nicht gewählt war, ihn nicht weihen wollte, sich vom Papste in
Avignon weihen ließ. Pogarell trat alsbald in Unterhandlungen mit dem
Könige, die zum Frieden führten. Es mußten sich die Konsuln und Ältesten
der Bürgerschaft vor dem Bischöfe demütigen. In Büßertracht, ohne Mäntel,
mit bloßen Füßen und unbedecktem Kopfe zogen sie vom Rathause in die Kirche
der Dominikaner, warfen sich vor dem Bischof nieder, bekannten ihre Schuld
und erhielten Vergebung und Befreiung ihrer Stadt vom Banne. Dann er-
klärte sich Pogarell mit seinen Domherren dem Könige gegenüber zu Vasallen
der böhmischen Krone und erhielt für diesen Schritt viele Vorrechte und Frei-
heiten für das Bistum, den Rang des ersten schlesischen Standes und den
Titel eines Bundesfürsten von Böhmen; alle eingezogenen Güter, auch das
Schloß Militfch, wurden ihm zurückgegeben.
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Extrahierte Personennamen: Johann Karl_Iv Karl Boleslans Johann Pogarell Schloß_Militfch
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Der Pfaffenkrieg oder der Bierstreit u. s. w. 15
dem Namen des Schweidnitzer Kellers besteht, und die Bürgerschaft verpflichtet,
nirgend wo anders als in diesem Keller ihr Bier zu trinken. Die Domgeist-
lichkeit aber holte ihr Bier nicht aus der Stadt, sondern unmittelbar aus
Schweidnitz; denn in der Stadt war das Bier mit Abgaben belegt, die Kirche
aber hatte Steuerfreiheit. Die Geistlichkeit begnügte sich nun nicht damit, Bier
zum eignen Gebrauche aus der unmittelbaren Quelle zu besorgen, sondern
richtete auch Schanklokale ein. Die Bürger, welche mit dem Rate gespannt
waren, gingen lieber nach dem Dome als nach dem Schweidnitzer Keller, weil
sie dort das beliebte Getränk wegen der Steuerfreiheit billiger haben konnten
und weil sie dort auch auf einem von dem Rate unabhängigen Boden furchtlos,
ohne belauscht zu werden, ein freieres Wort sprechen durften. So strömten sie
denn zahlreich nach dem Dome, um ihren Durst zu stillen und ihrem Unwillen
Luft zu machen; die Schanklokale auf dem Dome waren mit Gästen überfüllt,
während der Schweidnitzer Keller in der Stadt leer und von Gästen entblößt
war. Der Rat, der die Demütigung noch nicht vergessen hatte, die ihm durch
Pogarell widerfahren war, blickte mißtrauisch nach dem Dome und verbot den
Bürgern der Stadt den Besuch der dortigen Bierstuben; die Bürgerschaft aber
spürte keine Lust in sich, diesem Verbote zu folgen. Deshalb ging der Rat
einen Schritt weiter und bestritt der Domgeistlichkeit das Recht des freien Bier-
schankes zum Nachteile der Stadt. Durch Ratsbeschluß wurde dieser Bierschank
als für die Stadt nachteilig aufgehoben; auch wurde bei schwerer Strafe unter-
sagt, der Geistlichkeit Bier von Schweidnitz oder irgend sonst woher zuzuführen.
Da geschah es um Weihnachten 1380, daß ein Fuhrmann am Nikolaithore
erschien und von Schweidnitz einige Fässer Schweidnitzer Bieres mit sich brachte,
welche der Herzog von Liegnitz seinem Bruder, dem Breslauer Domdechanten
Heinrich, als Weihnachtsgeschenk überschickte. Der Fuhrmann war ehrlich genug,
nicht früher durch die Stadt zu fahren, bis er dem Rate gemeldet, was er ge-
laden habe. Er that dies mit dem Bemerken, daß das Bier nur ein Geschenk
für den Domdechanten und keineswegs ein Handelsartikel sei, und bat um die
Erlaubnis, es unbehindert durch die Stadt auf den Dom fahren zu dürfen.
Allein wie erstaunte er, als er statt der gehofften Erlaubnis sich selbst verhaftet
und sein Bier mit Beschlag belegt sah. Der Rat war hier entschieden zu weit
gegangen; sein Verfahren erbitterte die Domherren, die es nun durchzusetzen
wußten, daß der Bischof Wenzel die Stadt in den Bann that, bis der Rat den
Geistlichen Genugthuung geleistet habe. So standen die Sachen, als am 27. Juni
1381 König Wenzel nach Breslau kam, um sich huldigen zu lassen und diese
Streitigkeiten beizulegen. Die Huldigungsfeier erforderte einen öffentlichen
Gottesdienst. Der König verlangte denselben während seiner Anwesenheit und
versprach den Domherren, den Rat zum Schadenersatz zu vermögen: aber das
Domkapitel verlangte vor der Aufhebung des Bannes Genugthuung und Schaden-
ersatz. Das Schweidnitzer Bier hatte es veranlaßt, daß kein Gottesdienst in
Breslau gehalten, kein Kind getaust, keine Ehe eingesegnet, das heilige Abend-
mahl nicht gespendet, keinem Sterbenden durch den Priester Trost zugesprochen
und keine Leiche feierlich beerdigt wurde. Weil sich der Bischof hartnäckig
zeigte, wandte sich der König an einen Augustiner-Abt mit der Bitte um Gottes-
dienst und versprach, es beim Papste zu vermitteln, daß ihn keine Verantwortung
treffe. Als der Abt sich weigerte, dem Wunsche des Königs zu folgen, wurde
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Extrahierte Personennamen: Fuhrmann Heinrich Heinrich Fuhrmann Wenzel
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Breslau im Bann; Bischof und König im Streit (1339—1342). 11
Im Schlosse von Militsch war der Archidiakonus des Breslauer Dom-
stiftes Heinrich von Würben als Burggraf angestellt. Der König, der die
Schwäche der Besatzung und die Unersahrenheit des unkriegerischen geistlichen
Befehlshabers in der Burg wohl in Erwägung zog, machte sich daran, im
Jahre 1338 das Schloß zu belagern und durch Waffengewalt zu erobern.
Aber der durch Sümpfe gut verschanzten Burg war nicht leicht beizukommen;
die Belagerung hätte lange gedauert und eine Eroberung wäre nur mit großem
Zeit- und Menschenverlust möglich gewesen. Da nahm der König zur List
seine Zuflucht; er hatte erfahren, daß der Domherr ein großer Freund fran-
zösischen Weines war. Zwei Flaschen Franzwein (due flasce vini G-auici, sagt
der Chronist) und einige energische Drohungen waren vermögend, den Dom-
Herrn zur Übergabe der Burg ohne Schwertstreich zu bewegen.
Der Bischof Nanker verlangte sofortige und unbedingte Zurückgabe des
Schlosses an die Kirche; aber Johann kehrte sich an die Drohungen und Wünsche
des Bischofs nicht. Als nun im Jahre 1339 der König sich in einem Städtchen
bei Breslau mit seinen Räten aufhielt, versammelte der Bischof seine Dom-
Herren um sich und forderte sie auf, ihn zum Könige zu begleiten; aber nur
vier derselben hatten Mut und Entschlossenheit genug, dem Bischof zu folgen
und treu mit ihm die Gefahren zu teilen.
In bischöflichem Schmucke (religione mellitus) begab sich Nanker in Be-
gleitung der vier Domherren zu dem Stübchen, in welchem sich der König mit
seinen Räten befand. Der Bischof klopfte mit eigner Hand so stark an die
Stubenthür, daß die Wächter fragten, wer es wage, so ungestüm an die Thür
des Königs zu klopfen. Sie erhielten die Antwort, daß der Bischof Eintritt
verlange. Der König aber ließ ihm sagen, er möge sich nur noch eine Stunde
gedulden, weil er andrer Geschäfte wegen verhindert wäre, ihm Audienz zu
geben. Nichtsdestoweniger fuhr der Bischof so lange zu klopfen fort, bis
einige Räte, die beim Könige waren, diesem zuredeten, ihn hereinzulassen. Als
darauf der Bischof in das Zimmer trat, hielt er einen kleinen Zettel (cedulam
parvam) in der Hand, stellte sich vor den König und las ihm folgende Worte
vor: „Herr König, ich ermahne Euch zum ersten-, zweiten-, dritten- und letztenmal,
daß Ihr sofort das Schloß Militsch meiuer Breslauer Kirche zurückgebt." Der
König erwiderte ihm: „So bald sollt Ihr es wohl nicht wieder haben, wie Ihr
meint." Da hob der Bischof ein Teilchen vom Holze des Kreuzes Christi
empor mit den Worten: „So schließe ich Euch aus von der Gemeinschaft der
Kirche im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes." Alle
Fürsten und Edlen, die den König umgaben, standen stumm vor Erstaunen, so
daß keiner ein Wort sprach. Der König brach das Stillschweigen mit Worten,
die seinen tiefen Groll über diesen Vorgang bekundeten: „Bei Gott, dieser
Pfaff wünscht ein Märtyrer zu werden; wenn ihm nur jemand zur Märtyrer-
kröne verhelfen wollte." Der Bischof schritt, als ob er diese letzten Worte des
zornigen Königs nicht gehört hätte, langsamen Schrittes der Thüre zu, um sich
zu entfernen. Da traten die Breslauer Konsuln, ihn zu besänftigen, zu ihm
'und sprachen: „Es ist nicht fein, Herr Bischof, dem Könige so ins Gesicht zu
bannen; auf einem glimpflicheren Wege hättet Ihr ohne Zweifel mehr aus-
richten können." Da drang der Bischof in sie: „Beweget vielmehr euren König,
daß er der Kirche die geraubte Burg wieder herausgebe; denn ihr wäret bei
f
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Extrahierte Personennamen: Militsch Heinrich_von_Würben Heinrich Johann Pfaff
Extrahierte Ortsnamen: Breslau Burg Breslau Christi
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Kaiser Wilhelm in Breslau im Jahre 1882. 321
Polen, Böhmen und Deutschen unmöglich waren, verlautet lange wenig. Noch
im Jahre 1075 klagte der Papst Gregor Vii. über die wirren kirchlichen Ver-
Haltnisse in Polen, zu welchem Schlesien tatsächlich noch bis in unser Jahr-
hundert hinein gerechnet wurde; denn obgleich sich die Zugehörigkeit Breslaus
zu dem Erzbistum Gnesen im Laufe der Jahrhunderte immer mehr lockerte,
war doch erst E. von Schimonsky (1824—1832) der erste rechtlich nicht mehr
unter Gnesen stehende Bischof von Breslau.
Im 12. Jahrhundert befestigte sich das Christentum immer mehr, uameut-
lich durch die von Fürsten und Laien ausgegangene Berufung von Mönchen.
Im Jahre 1108 wurde das erste Kloster des Landes in Gorkau am
Zobten gegründet und mit flandrischen Mönchen besetzt. Bald darauf begann
die bedeutende Thätigkeit des Grafen Peter Wlast für kirchliche Stiftungen (S. 6).
Boleslaw der Lange berief die ersten deutschen Mönche im Jahre 1175 in das
Land, und zwar nach Leubus. Das erste Nonnenkloster entstand im Jahre
1202 in Trebnitz. Zwanzig Jahre später wurde Heinrichau gegründet. So
entfaltete sich das kirchliche Leben immer mehr nach allen Richtungen hin; die
Schenkungen wurden so gehäuft, daß in Trebnitz 1000 Personen Unterhalt
fanden, daß das Sandstift in Breslau im Jahre 1250 gegen 40 Ortschaften
mit Markt- und Zehntrechten und 52 Kirchen mit ihren Zehnten besaß.
Bis zum 13. Jahrhundert hatten fast alle wichtigeren Mönchsorden und
geistlichen Ritterschaften in Schlesien Fuß gefaßt, und die Klöster wußten es
durchzusetzen, daß sie wie Staaten im Staate fast von jeglicher Unterordnung
und Verpflichtung gegen das Land befreit wurden. Dabei darf nicht vergessen
werden, daß die immer herrlicher sich entfaltende Blüte des Landes zum großen
Teil auf den Schultern der Mönche ruhte. So gewann das Bistum, welches
das ganze kirchliche Leben umfaßte, schnell an Macht und wurde sehr eiufluß-
reich. Der Bischof Nanker trat kühn dem König Johann im Jahre 1339 ent-
gegen (S. 11); vor seinem Nachfolger Pogarell mußten sich Breslaus Bürger
demütigen, und der Bischof Wenzel belegte wiederum im Jahre 1381 die Bres-
lauer mit dem Banne (S. 15). Das sind Thatsachen, die uns deutlich die
Macht des Bischofs beweisen, wie auch die reichen Einkünfte dem Bistum den
Namen des goldenen verliehen.
Die Deformation in Breslau. Johann Heß. Als Luther im Jahre 1517
feinen Kampf mit Tetzel begann, der die Spaltung der Christenheit in Deutsch-
land hervorrief, saß in Schlesien Johann Thurso, ein Mann von ebenso vor-
trefflichem Charakter als großer Einsicht und Gelehrsamkeit, auf dem bischöflichen
Stuhle. Ihm folgte, als der Streit größere Ausdehnung annahm, Jakob von
Salza, der nicht duldete, daß die Ablaßprediger in seinem Bezirke herumzogen.
Aber seit den ältesten Zeiten war der Magistrat zu Breslau der Gegner des
Bischofs und Kapitels: bei Streitigkeiten griff dann der Bischof zum Bann, die
Stadt zu den Waffen; oft hatte gemeinschaftliches Interesse auf Jahre Frieden
und Bündnis gestiftet, aber nie war der Groll ganz erloschen. So kam es, daß
die Lehre Luthers, die dem Bischöfe nicht lieb war, bei den Bürgern Beifall fand.
Als Luther am 20. Dezember 1520 dem Papste den Gehorsam aufsagte,
entschieden sich viele Bürger Breslaus offen für ihn. Damals war die Pfarre
Deutsches Land und Volk. Viii. 21
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Gregor_Vii Gregor Breslaus Schimonsky Peter_Wlast Boleslaw Nanker Johann Breslaus Wenzel Johann_Heß Johann Johann_Thurso Johann Jakob_von
Salza
Autor: Burmann, Karl, Klöden, Gustav Adolf von, Köppen, Fedor von
Auflagennummer (WdK): 2
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Der heilige Adalbert. 451.
gab den Armen, verwaltete das Bistum mit der größten Sorgfalt. Aber die
Sitten der Böhmen waren noch schauerlich; die Bemühungen des sorgsamen
Hirten blieben erfolglos, so daß der Papst selbst dem Bischof auf seine Frage,
was er thun solle, den Rat erteilte, das schändliche Volk, das nicht folgen wolle,
zu meiden. Adalbert verließ Böhmen und ging nach Rom. Auf der Grenze
Böhmens wandte er sich zu dem Lande der Frevel zurück und sprach: „Wie du
der Lehren des Heiles entbehren willst, so sollst du entbehren des befruchtenden
himmlischen Regens und hinschmachten in verdorrender Trockenheit!"
Zu Anfang des Jahres 934 nahte Adalbert mit wenigen Begleitern der
heiligen Roma, wiederholte dem Papste mündlich die betrübenden Gründe, die
ihn dazu bewogen hatten, Prag zu verlassen, und legte seinen Bischofsstab in
die Hände des heiligen Vaters nieder. Nach wenigen Jahren nahm der fromme
Mann das Mönchsgewand an und lebte fern vom Getriebe der Welt in einem
Kloster Roms auf dem aveutinifchen Berge. Dort verwaltete er die gemeinen
Wochendienste, reinigte die Küche, säuberte die Speisegeräte, holte Wasser vom
Brunnen und bediente die Klosterbrüder bei Tische: kurz, er unterzog sich in
tiefster Demut den niedrigsten Diensten und beschwerlichsten Arbeiten.
Inzwischen trug das Land Böhmen schwer an dem Fluche des von ihm
verkannten und verscheuchten Bischofs; denn seitdem Adalbert das Land ver-
lassen hatte, regnete es in demselben nicht: ehern schien der Himmel und die
Erde hart wie Eisen. Da flehten die Böhmen zu Gott um Regen, sie wall-
sahrteten zu den Gräbern der Heiligen; aber umsonst, der Himmel öffnete sich
nicht. Nun erst wußte der Herzog von Böhmen und sein Volk, daß ihnen ein
Adalbert fehlte. Gesandte gingen im Jahre 993 nach Rom. gelobten dem
Papste für das Volk Reue und Besserung und flehten um Adalberts Rückkehr.
Da der Papst dem Versprechen der Besserung traute, gab er dem frommen
Adalbert Ring und Stab zurück und hieß ihn die stillen Mauern des Klosters
verlassen und die verwaiste Herde in Böhmen leiten.
Als Adalbert das Land Böhmen betrat, fand er der Bewohner Sitten
nicht geändert; Roheiten und Übertretungen der Gebote Gottes mußte er allent-
halben wahrnehmen, aber er bat den Herrn, den Fluch vom Lande zu nehmen.
Von einem hohen Berge in der Nähe des Städtchens Nepomuk schaute er weit
hinein in das Land Böhmen, das zu seinen Füßen ausgebreitet lag, die Wiege
seines Lebens, den Verächter seiner Handlungen, das noch lechzte unter dem
Fluche der Dürre. Eingedenk der Gnadenfülle des Allmächtigen, machte er nun
ein Kreuz nach allen vier Weltgcgenden, löste den Fluch und segnete sein Volk.
Siehe da, alsbald zogen aus den Schluchten und Thälern der Gebirge ringsum
Wolken herauf, wogten wie ein graues Tuch über das ganze Land hin und
fenkten sich als befruchtender, alles erfrischender Regen auf die dürstende Erde
nieder. Alle Fluren. Wälder und Auen atmeten wie neu erschaffen auf. und
Böhmen erkannte, daß sein Bischof zurückgekehrt war.
■ Adalbert zog bald darauf in Prag ein, das Volk jubelte und jauchzte ihm
entgegen; aber des Bischofs Herz wurde wenig erfreut, denn bekannt war ihm
ja des Volkes wandelbare Gesinnung und Hartnäckigkeit in den Sünden. Als
er sein Amt wieder angetreten hatte, kündigte er, wie ehemals, den Lastern und
dem sündhaften Leben des Volkes den Vernichtungskampf, drang auf Beseitigung
der heidnischen Mißbräuche und predigte gegen den zuchtlosen Wandel der
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0
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Extrahierte Personennamen: Nepomuk
Extrahierte Ortsnamen: Rom Roms Rom Adalberts Gottes Prag
Autor: Keussen, Hermann, Kaiser, W., Keller, J., Heinzerling, Jakob, Preiser, F., Köppen, Fedor von, Nover, Jakob, Klöden, Gustav Adolf von
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Geschlecht (WdK): koedukativ
60 Köln, die Königin des Niederrheins.
Em gewaltiger, aber anmaßender Erzbischof war Anno, dessen Uebergrifsen
sich die Bürgerschaft Kölns mnthig widersetzte. Er ist bekannt als Vormund
Heinrich's Xv. und als Reichsverweser; wir werden im folgenden Kapitel
noch ausführlicher von ihm handeln. Sein Nachfolger Anno H. weihte die
Georgskirche ein, die vielleicht ursprünglich einen ganz andern Zweck hatte,
nämlich eine Zwingburg gegen Köln selbst zu sein. Es ist dies die einzig noch
erhaltene Säulenbasilika mit einfachen Würfelkapitälen, in einer sehr schlichten
Bauart aufgeführt. Auuo ll. vergrößerte auch die St. Gereonskirche durch jenen
Theil, der zwischen der Kuppel und dem jetzigen Ostchor liegt. Mit der Ent-
wicklung der Hierarchie stieg auch die Kirchenbaukunst. Die Ansänge des alten
Tomes reichen bis zu Willibert und seinen Nachfolgern, die Fortsetzung fand
statt unter Bischof Gero und Kaiser Otto Ii. Die Weiterbauten der folgen-
den Bischöfe waren eigentlich nur Restauriruugeu der durch Feuersbrünste im
11. und 12. Jahrhundert angerichteten Schäden. Im Allgemeinen war die
Bauart eine noch sehr einfache, wie die St. Georgs-, die Gereonskirche, die Reste
der Westseite vom St. Pantaleon und die Kirche St. Maria im Kapitol beweisen.
Man verwandte vielfach abwechselnd Schichten von rothem Eifelfandstein und
Drachenfelser Porphyr, hier und da Archivolten und Zwischenlagen von Ziegel-
steinen, vielleicht Trümmer älterer Bauten. Die Ornamentik war noch gering
und roh, meist byzantinischer Anlehnung, die Säulenbasen hatten in der Regel
keine Eckblätter, die Schafte waren oft noch fknlptirt. Reicher ist schon die Kirche
St. Maria im Kapitol angelegt. Einen großen Aufschwung erhielt dieban-
knnst durch den immer wachsenden Verkehr, dnrch die Beziehungen zum Orient,
durch die Kenntniß klassischer Kuustschätze, wodurch der Menschengeist unendlich
angeregt und befruchtet, die Phantasie geweckt und entfaltet und der Trieb zum
selbständigen Schaffen außerordentlich gefördert ward. Durch die Kreuzzüge
ward der geistige Horizout ungemein erweitert, alles menschliche Wissen bereichert,
die Phantasie mit üppigen Bildern bevölkert. Da wurde die Gereonskirche er-
weitert, viele Kirchen neu gewölbt und neue angelegt, so daß Köln unter der
Regierung Barbarossas in eine seiner glänzendsten Entwickluugsphasen ein-
tritt. Die sprichwörtlich gewordene Redensart: „Unterm Krummstab ist's gut
sein" bewies sich jetzt im vollsten Sinn des Wortes. Fanden auch grimmige
Fehden statt zwischen Kaiser und Papst, entbrannte auch der Streit zwischen
Ghibellinen und Welsen aufs Heftigste, in welchem Kaiser und Erzbischöfe
in Italien besonders gegen Papst Alexander Iii. stritten, so wirkte doch das
im Allgemeinen gnte Einvernehmen zwischen Bischos und Stadt und namentlich
ihre gesteigerte Macht und Pracht sehr günstig auf die Entfaltnng des Handels
und der Blüte Kölns. Der Reichthum der Bischöfe war wesentlich dnrch die
erworbenen Besitzungen des rebellischen und gedemüthigten Herzogs Heinrich
des Löwen gewachsen. Großen Weltruf verlieh dem Kölner Dom die Heber-
tragung der Gebeiue der h. drei Könige von Mailand sowie der Märtyrer
Felix und Nabor, welche eiue Einwölbung der Kirche veranlaßt?. Barbarossa
übergab diese Reliquien der h. drei Könige dem Erzbischof Reinald von Dassel
für seine ihm im italienischen Feldzuge geleisteten Dienste, und von dieser Zeit
an führte das Kölner Wappen drei Kronen. Reinald baute auch 1170 deu
Westthurm des Doms, welcher als Glockenthurm bis 1400 bestauden hat, sowie
deu bischöflichen Palast. Noch viele andere Kirchen wurden zu jeuer Zeit
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Autor: Köppen, Fedor von, Lehmann, F. W. Otto, Klöden, Gustav Adolf von
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380 Die Ufer der Leine und Aller.
Ver heilige Sernward. Es war im Jahre 993, als der heilige Bernward
als der dreizehnte in der Reihe der Bischöse an die Kathedrale zu Hildesheim
erwählt ward, und dieser Zeitpunkt ist es, an welchem nicht allein der Bischofssitz
zu raschem und kräftigem Aufblühen gelangte, sondern auch die eigentliche Ent-
Wickelungsperiode der Stadt beginnt. — Einer edlen Sachsenfamilie entstammend,
besuchte Bernward die Domschule zu Hildesheim, an der Tangmar, Bernwards
späterer Biograph, sein Lehrer war. Mit Eifer gab er sich der Theologie,
Philosophie und Medizin hin und befreundete sich mit den Künsten, der Bau-
und Bildkunst und malte und faßte edle Steine. Im Jahre 937 kam er an
den kaiserlichen Hof als Lehrer Ottos Iii., dessen Mutter, bekanntlich eine
griechische Prinzessin, sür ihren Sohn die Regierung führte. Hier am kaiser-
lichen Hofe, wo griechische Kunst und Wissenschaft gepflegt wurde, hat Bernward
im Verkehr mit großen und gelehrten Männern für sein späteres Leben sich
gewiß jene hier zu Lande fremden Kenntnisse erworben, von denen er uns in
seinen Kunstwerken mannigfache Beweise hinterlassen hat, und hier traf ihn
seine Ernennung zum Bischof von Hildesheim. In schweren Zeiten trat er sein
Amt als Bischof an; schon im nächsten Jahre kamen die Normannen die Weser
und Elbe herauf und verwüsteten Sachsen, das Jahr darauf wütete die Pest;
dabei hatte Bernward gleichzeitig den in der Nähe wohnenden Slawen zu
steuern. Zu diesem Zwecke legte er Burgen in seinem Sprengel an und umgab
im. Jahre 1001 die bischöfliche Burg mit neuen Mauern und Türmen derart,
daß, wie die Überlieferung meldet, an Schönheit und Festigkeit zugleich nichts
Ähnliches in Sachsen zu sehen war.
Stets behielt Bernward im Auge, was er dem Reiche schuldig war, und
dafür erwies sich ihm auch das Reichsoberhaupt gnädig. Otto Iii. beschenkte
ihn reichlich mit Besitzungen und Rechten für seine Diözöse, er bestätigte der
Hildesheimschen Kirche alle früher erteilten Freiheiten und bestimmte wieder-
holt, daß kein Graf die Macht haben solle, die Angehörigen der Kirche, seien
es Freie oder Hörige, vor sich zu laden. Auch Ottos Nachfolger, Heinrich Ii.,
beschenkte ihn reichlich, und nicht geringer war Bernward beim päpstlichen
Stuhle angesehen. Im Jahre 1003, am Palmsonntage, besuchte der Kaiser
Heinrich, als Herzog von Sachsen, Hildesheim, wo er mit großen Ehrenbezeugungen
aufgenommen wurde. Bei dieser Gelegenheit schenkte der Kaiser zum Dienste
des Altars und der Brüder, wie damals die Chorherren noch hießen, eine
große Summe und half auch dem durch Raubzüge der Slawen verwüsteten
Bistume wieder auf.
Mehrere Reisen, die Bernward ins Ausland unternahm, benutzte er unter
anderm auch dazu, Reliquien und Kunstschätze sür seine Kirche zu sammeln.
So begab er sich im Jahre 1000 nach Rom, teils um den Besuch des Kaisers
in seinem Sprengel zu erwidern, teils um einen Streit, den er wegen des
Klosters Gandersheim mit Willegis, dem Erzbischof von Mainz, hatte, zum
Austrag zu bringen. Der Kaiser belagerte gerade das in der Nähe von Rom
gelegene und gegen ihn widerspenstige Tivoli; dahin nun begab sich der Papst,
begleitet von Bernward, um die Bürger zu bewegen, sich dem Kaiser zu unter-
werfen, was diese auch thaten. Als aber dann die Römer dem Reichsober-
Haupte die Thore ihrer Stadt verschlossen, griff auch Bernward zu den Waffen,
um dem Kaiser das ihm schuldige Ansehen verschaffen zu helfen. Vom Kaiser
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Autor: Lincke, G. A., Ohlert, Bernhard, Klöden, Gustav Adolph von, Ernst, L., Biernatzki, Johannes, Köppen, Fedor von, Blasendorff, Carl
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Deutschen Ordensritter in Preußen.
333
und Italien reiche Besitzungen erworben hatte. An der Spitze desselben stand
seit 1210 sein vierter „Meister", Hermann von Salza aus thüringischem Ge-
schlecht, ein Mann von umfassendem staatsmännischen Blick, in hoher Geltung
sowohl bei Kaiser Friedrich Ii. als bei den gleichzeitigen Päpsten, zwischen
denen er oft mit Erfolg den Vermittler machte. Dieser erkannte die Vergeb-
lichkeit des Bestrebens, Jerusalem zu erobern, und die Unsicherheit des christ-
lichen Besitzstandes im Heiligen Lande. Als daher Herzog Konrad von Maso-
vien ihm das Kulmerlaud, das er freilich mehr dem Namen als der That nach
besaß, zu verleihen und alle mögliche Unter-
stützung beibekämpfung der heidnischen Preußen
zu leisten versprach, ging Hermann von Salza
auf dies Anerbieten ein, nicht ohne sich durch
vorsichtige Verhandlungen mit ihm, Bischof
Christian, und namentlich mit Kaiser und Papst
sicher zu stellen, daß er später im Besitz des
durch die Tapferkeit der Ritter zu erobernden
Landes möglichst wenig durch fremde Ansprüche
behelligt werden könnte. Nach Abschluß dieser
Verhandlungen imjahre 1230 ordnetehermann
von Salza den Hermann Balke als „Meister von
Preußen" mit einer kleinen Schar Ordensritter
nach Preußen ab. und gleichzeitig ließ der Papst
in Norddeutschland, Pommern und Polen das
Kreuz gegen die heidnischen Preußen predigen.
Im folgenden Jahre begann Hermann
Balke von der am linken Weichselufer liegenden
Burg Nossau aus, die ihm Konrad als Stütz-
Punkt für seine Unternehmung eingeräumt hatte,
den Angriff, setzte über die Weichsel und grün-
dete dort die Burg Thorn, indem um eine
hohe, weitästige Eiche herum ein zur Auf-
nähme von Menschen, Pferden und Vieh aus-
reichender Raum mit Graben, Erdwall und
Plankenzaune umwehrt wurde, während man in den Zweigen des Baumes
einen Warteturm anlegte. (Ähnlich haben wir uns übrigens überhaupt die ersten
Burganlagen der Ordensritter in Preußen zu deukeu, und auch so waren
sie für die Abwehr ausreichend; erst bei größerer Muße, wenn die Um-
gegend gegen feindlichen Angriff möglichst sicher gestellt war und meistens
in dem Schutze der Burg eine Ansiedelung sich gebildet hatte, wurden sie
durch festgemauerte Burgen ersetzt und gleichzeitig die Stadt mit einer türm-
bewehrten Mauer umzogen.) Aber die aus Pomesanien her eingedrungenen
Preußen errichteten ihrerseits drei Burgen unfern von Thorn und verwehrten
dadurch den Rittern den Austritt ins freie Feld, so daß sie in arge Bedrängnis
gerieten. Nur durch Verrat des Hauptmannes einer der drei Burgen, der in
die Gefangenschaft der Ritter geraten war und ihnen, um sich zu lösen, erst
die eigne Burg öffnete, gelang es ihnen, auch der andern sich zu bemächtigen,
worauf das Kulmerland endgültig in ihren Besitz gelangte und durch Neubesetzung
Hermann v. Balke. Nach R. Schweinitz.
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Balke Konrad Konrad Hermann_v Balke Schweinitz
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Autor: Steinbach, Josef, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Klöden, Gustav Adolf von, Mehlis, Christian, Hocker, Nikolaus
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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Geschichtliches über Aachen. 199
das durch einen Wasserlauf bewegt wurde. Zwölf eherne Kugeln fielen in ein
tönendes Becken, um den Verlauf der Stunden anzuzeigen, und gleichzeitig traten
zwölf Reiter durch zwölf Fenster hervor. In Aachen häufte Karl alle Kostbar-
keiten ans, und nur für 'die allernöthigste Zeit trennte er sich von seinem Lieb-
lingssitze. Hier starb er auch am 28. Januar 814, im siebzigsten Jahre seines
Alters. In seiner Pfalzkapelle ward er am Tage seines Hinscheidens beigesetzt.
Otto Iii. ließ im Jahre 1000 die Gruft öffnen. Er fand den Leichnam
des großen Kaisers auf einem Marmorstuhle sitzend, angethan mit dem Kaiser-
mantel, eine goldene Krone auf dem Haupte und das Reichsscepter in der Hand.
Kaiser Otto ließ den Leichnam in weiße Gewänder hüllen und die Gruft wieder
schließen. Friedrich Il. ließ im Jahre 1215 die Gruft abermals öffnen. Er
fand den Körper Karl's sehr der Zerstörung anheimgefallen und ließ vou Aachener
Künstlern einen prachtvollen Sarg anfertigen. In diesen ließ er die Gebeine
legen und nagelte ihn mit eigener Hand zu. Im Jahre 1861 wurden die
Gebeine unter Zuziehung mehrerer Aerzte in anatomischer Reihenfolge geordnet,
mit Goldfäden auf rotheu Sammt aufgeheftet und dem Schreine wieder über-
geben. So ruhen sie nun zur Verehrung des deutschen Volkes. Doch wenn
auch der letzte Rest der Gebeine Karl's des Großen zu Staub geworden sein
wird, sein Ruhm wird iu ungetrübtem Glänze wie heute in die Nachwelt strahlen.
Die Kaisergruft glaubte man bis in die neueste Zeit stets in der Mitte des
Oktogons, wo eine Steinplatte eingemeißelt den Namen „Carolo Magno" trägt.
Die in den Jahren 1843 und 1861 angestellten Nachsuchungen haben jedoch zu
keinem Ergebniß geführt. Im Jahre 1866 fand man aber an der nördlichen
Seite des Oktogons die massiven Fuudameute einer viereckigen Anlage, die man
aus ganz gewichtigen Gründen als Ueberbleibsel der Kaisergruft angenommen hat.
Nach dem Tode Karl's litten Pfalz und Pfalzkapelle sehr durch den Familien-
Hader seiner Enkel. Beim Anzüge der Normannen entgingen sie kaum noch der
gänzlichen Zerstörung. Nach dem Tode „Ludwig's des Kindes" setzte sich der
westfränkische „Karl der Einfältige" in deren Besitz. Heinrich I. gewann sie
jedoch nebst Lothringen dem Deutschen Reiche zurück. Dem westfränkischen
Karolinger, Lothar Il, gelang es wieder, sich durch Ueberrumpelung für einige
Tage in den Besitz der Kaiserpfalz zu setzen.
Seit Otto I. (936) wurde es nun Sitte, daß alle deutschen Könige am
Grabe Karl's des Großen die Königskrone empfingen. Durch Karl Iv. wurde
dies sogar im Jahre 1356 zum Reichsgesetz erhoben, und somit sah das Münster
35 Könige und 12 Königinnen sich in seinen Mauern mit der Herrscherwürde
bekleiden. Diese Krönungsfeierlichkeiten, die sich meistens zu großen National-
festen gestalteten, hoben nun Aachen bald zu einem bedeutenden Orte. Dorthin
zog besonders bei solchen Festlichkeiten alles Volk im weiten Umkreise, um
wenigstens einen Bissen vom gebratenen Krönungsochsen zu erhaschen, oder sich
iu dem frei kredenzten Königsweine „Einen" anznkneipen, nicht einmal des
Goldregens zu gedenken, den Reiter mit Reichsadlern geziert mit vollen Händen
aus großen ledernen Beuteln auf das Volk ergossen. Die Wallfahrten zu den
Heiligthümern brachten ebenfalls viel Geld ein; so stieg Aachen immer mehr.
In der Mitte des zwölften Jahrhunderts hatten sich dort schon bedeutende
Tuchwebereien entfaltet, die denen der niederländischen Schwesterstädte völlig
ebenbürtig wären.
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Otto Otto Friedrich_Il Friedrich Heinrich_I. Lothar_Il Otto_I. Karl_Iv Karl
Autor: Steinbach, Josef, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Klöden, Gustav Adolf von, Mehlis, Christian, Hocker, Nikolaus
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Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
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Geschlecht (WdK): koedukativ
308 Deutsches Leben im Mittelalter am Rhein.
An Stelle des römischen Mogontiacum war Schutt und Moder getreten.
Doch hier, wo das Rheinbecken endet, wo die Vereinigung des Mains mit
dem Rhein die Schiffahrt stets anlocken mußte, wo ein natürlicher Stapelplatz
sich befand, wo die Mainstraßen sich kreuzten mit der Rheinachse, entstand in
Merovingerzeit, näher am Strome im Schutze der St. Johanneskirche, ein
neuer Ort, das fränkische Mainz. Die Natur der Gegend hat die Ansiedlung
zu einer Festung bestimmt. Bald umschlossen Mauern die königliche Pfalz, die
Kirchen und Kapellen, die Gehöfte des fränkischen Adels, die vielen Hütten der
Leibeigenen. Des Königs Aufenthalt und das Ansehen des zahlreichen Klerus,
in dessen Mitte der Primas von Deutschland die Provincia Mogontiana mit
dem Pallium lenkte, gab der Stadt ein vornehmes Gepräge. Hier im An-
gesichte der Herrschergewalt des Kirchensürsten des heiligen römischen Reiches
deutscher Nation entwickelte sich zwar eine zahlreiche Kanfmannsgilde, die mit
dem Stapelrecht den Mainhandel beherrschte, allein weit später als anderswo
der Hauch kommunaler und sozialer Freiheit.
Erst nach Speyer ward es vom Budtheil befreit, und die Verleihung des
Bischofs Adalbert gab der Bevölkerung, die Mitte des zwölften Jahrhunderts noch
ungemischt aus Stadtadel, Gottesleuten und niederem Volke bestand, nur unvoll-
kommene Freiheit. Häufige Aufstände der Mainzer gegen der Bischöfe Druck,
von denen Arnold die Bürger „Hunde, diezwar bellen, aber nicht beißen konnten",
nannte, zeugen von dem unnatürlichen Verhältnis in dem die Stadt gebannt lag.
Die Folge des Druckes der Priesterherrschast und der starken Besatzungen war die
Schwächung des bürgerlichen Freiheitstriebes. Der Geist der Mainzer Kaufleute
ward minder energisch als der der Frankfurter. Mainz ward Bischofsstadt und Sol-
datenlager, Frankfurt das Emporium des Handels und der Sitz des Bürgerstolzes.
Am Niederrhein hatte, wie schon oben erwähnt, kein Ort die Verheerungen
der Völkerwanderungen so kräftig überdauert, wie die natürliche Metropole des
Niederrheins, „das heilige Köln". Seit den Merovingerzeiten war dieser
Platz eine feste Stadt und eine Königsburg. Die Wittwe Pipin's von Heristal
barg hier ihre Schätze. Nach dem Aufstande gegen den herrschsüchtigen Erz-
bischos Anno und dessen blutigem Siege erschien die volkreichste und nach Mainz
erste Stadt des Reiches zu Ende des 11. Jahrhunderts wie verödet; das Schweigen
des Schreckens hauste dort, wo früher Lebenslust und Genuß herrschten.
Unter den Saliern erhielt sie wieder eine selbständige Stellung und befolgte seit
Anfang des 12. Jahrhunderts eine eigene Politik, die sich gegen Zwingherrschaft
von Seiten der weltlichen und kirchlichen Herren kehrte. Anfang des 14. Jahr-
Hunderts war der Streit zwischen Erzbischof und Stadtgemeinde zu Gunsten der
Autonomie letzterer beigelegt. Kaiser Albrecht entschied den Kampf. >.
Während dieser durch Kampf ausgefüllten Periode und beruhend einerseits
auf der domiuirenden Lage der Stadt, andererseits aus dem Freiheitssinne ihrer
Bürger, hatte sich die Handelsthätigkeit Kölns entfaltet, der an Ausdehnung
bis in das 16. Jahrhundert, bis zur Entdeckung Amerika's, dem Aufblühen
der holländischen und englischen Städte und anderen Umständen kein anderer
Verkehrskreis in Mitteleuropa gewachsen war.
Von der Natur zum Marktplatze für die Waaren des Niederrheines, fürwolle,
Tuch, Metallindustrie und die Produkte des Landes, für Getreide, Fische, Käse
u. s. w. bestimmt, wußte die Stadt bald durch das umfassende und nnnachsichtlich
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Extrahierte Personennamen: Arnold_die_Bürger Albrecht Albrecht